Boateng: „Ich verarbeite immer noch den Tod von Kasia Lenhardt“

Boateng: „Ich verarbeite immer noch den Tod von Kasia Lenhardt“

Boateng: „Ich verarbeite immer noch den Tod von Kasia Lenhardt“

Als Jérôme Boateng am 9. Februar 2021 in seiner Berliner Wohnung aufwachte, wusste er nicht, dass seine Ex-Freundin Kasia Lenhardt in der Nacht zuvor ihr Leben beendet hatte. Sie war 25, Mutter seines Sohnes, und hatte sich an ihrem Kindes Geburtstag das Leben genommen. Sechs Tage zuvor hatte er in einem Interview mit der Bild-Zeitung vorgeworfen, sie habe das Verhältnis zu seiner Kinderfrau zerstört. Es war ein Moment, den er heute als den schwersten Fehler seines Lebens bezeichnet. "Ich bin immer noch dabei, ihren Tod zu verarbeiten", sagt er jetzt, erstmals öffentlich und ohne Filter, in der dreiteiligen ARD-Dokumentation "Being Jérôme Boateng"München.

Ein Interview, das einen Menschen in den Tod trieb

Kasia Lenhardt, gebürtig Katarzyna Lenhardt, war 2012 Vierte bei "Germany's Next Topmodel" – ein Aufstieg, der sie in die öffentliche Wahrnehmung katapultierte. Mit Boateng, damals noch bei FC Bayern München, begann eine Beziehung, die von Medien aufgegriffen, vergrößert und verurteilt wurde. Als sie sich im Oktober 2019 trennten, war Boateng bereits ein Weltmeister, ein Star, ein Mann, dessen Worte Gewicht hatten. Doch in dem Interview mit der Bild-Zeitung, das am 3. Februar 2021 erschien, sprach er von "Manipulation" und "Zerstörung der Familie". Sechs Tage später war sie tot.

"Was ich damals sagte, war nicht nur falsch – es war grausam", sagt Boateng in der Dokumentation, die Augen niedergeschlagen, Stimme brüchig. "Ich dachte, ich würde mich verteidigen. Aber ich habe sie verletzt, als sie am verwundbarsten war. Und ich habe nie gedacht, dass sie das so schwer nehmen würde. Ich war blind. Und jetzt? Jetzt bin ich schuldig. Nicht vor Gericht – vor mir selbst."

Die Last der Öffentlichkeit

Die Reaktionen nach Lenhardts Tod waren erbarmungslos. Ihre Mutter veröffentlichte eine emotionale Nachricht auf Instagram: "Meine Tochter war ein Engel, der von zu vielen Menschen verlassen wurde." Modelfreundin Sara Kulka sprach von einem "Treiben in den Tod" – eine Formulierung, die Boateng bis heute nicht loslässt. "Ich habe nicht gewusst, wie viel Druck auf ihr lastete. Ich dachte, wir sind zwei Erwachsene, die sich trennen. Aber sie war nicht nur meine Freundin. Sie war die Mutter meines Kindes. Und ich habe sie nicht beschützt. Ich habe sie verlassen – mit Worten."

Die öffentliche Wahrnehmung machte es ihm schwer, zu trauern. "Man hat mir abgesprochen, dass ich trauern darf. Als ob ich als Mann, als Fußballer, kein Recht auf Schmerz hätte. Aber ich habe sie geliebt. Und ich vermiss sie jeden Tag. Nicht nur als Mutter meines Sohnes – als Mensch."

Sein Trauerprozess wurde von Fans, Journalisten und ehemaligen Kollegen beobachtet – und oft missverstanden. Einige Bayern-Fans protestierten nach der Trennung, andere nach seiner Verurteilung 2024. "Ich dachte, ich würde mit dem Fußball meine Seele retten. Aber der Ball hat mich nicht gerettet. Er hat nur meinen Schmerz übertönt."

Ein weiterer Skandal: Die Verurteilung von 2024

Wenige Monate nach Lenhardts Tod, im Jahr 2024, wurde Boateng vom Landgericht München I wegen vorsätzlicher Körperverletzung an einer anderen Ex-Freundin schuldig gesprochen. Die Anklage behauptete, er habe sie in einer Auseinandersetzung geschlagen. Boateng bestreitet dies nach wie vor. "Ich habe nie eine Frau geschlagen. Nie. Ich bin kein Gewalttäter. Aber das Gericht hat anders entschieden. Und ich habe Einspruch eingelegt."

Die Dokumentation zeigt, wie diese Ereignisse miteinander verwoben sind – nicht nur rechtlich, sondern emotional. "Die Welt hat mich zu einem Monster gemacht. Zuerst wegen Kasia, dann wegen der Verurteilung. Aber wer bin ich wirklich? Ich bin ein Vater. Ein Mensch, der Fehler gemacht hat. Und der versucht, daraus zu lernen."

Was bleibt – und was sich ändern muss

Boateng hat sich seit 2023 aus dem Profifußball zurückgezogen. Er lebt mit seinem Sohn in Bayern, besucht Therapiesitzungen und spricht mit Psychologen über Schuld, Trauer und Selbstwert. "Ich werde nie wieder ein Interview geben, das jemanden verletzt. Nie wieder. Ich habe gelernt: Worte haben Gewicht. Und wenn du jemanden liebst, dann schützt du ihn – auch vor dir selbst."

Die ARD-Dokumentation ist kein Versuch der Rechtfertigung. Sie ist eine Bitte um Verständnis – und ein Appell an die Gesellschaft: Wie behandeln wir Menschen, die in der Öffentlichkeit fallen? Wie schnell verurteilen wir, ohne zu wissen, was hinter den Kulissen passiert? Kasia Lenhardt starb nicht nur an Depression. Sie starb an Stigmatisierung. An einem Interview. An einem Moment, in dem niemand hinhörte.

Was jetzt kommt

Boateng plant, eine Stiftung für psychische Gesundheit von Prominenten zu gründen – mit Fokus auf Eltern, die unter öffentlichem Druck leiden. "Ich will verhindern, dass jemand anders so endet wie Kasia. Ich kann sie nicht zurückholen. Aber ich kann andere retten."

Die Dokumentation läuft ab 22. November 2024 in der ARD. Es ist kein Triumph – es ist eine Beichte. Und vielleicht der erste Schritt zu einer anderen Art von Stärke.

Frequently Asked Questions

Warum wurde Jérôme Boateng für den Suizid von Kasia Lenhardt verantwortlich gemacht?

Obwohl kein rechtlicher Zusammenhang zwischen dem Interview und dem Suizid nachgewiesen wurde, sahen viele – einschließlich Lenhardts Familie und Freunde – das Interview als entscheidenden Auslöser. Die öffentliche Demütigung, die durch die Veröffentlichung entstand, wurde als letzte Belastung angesehen, die sie nicht mehr aushielt. Psychologen warnen vor der sogenannten "Medien-Suizid-Kaskade", bei der öffentliche Angriffe bei bereits vulnerablen Personen den Selbstmord beschleunigen können.

Wie reagierte die Öffentlichkeit auf Boatengs Aussagen in der Dokumentation?

Die Reaktionen sind gespalten. Viele Fans und Psychologen loben seine Offenheit als mutig und notwendig, besonders in einer Sportkultur, die emotionale Schwäche tabuisiert. Andere kritisieren, er zeige keine echte Reue, sondern nur Selbstmitleid. Die ARD hat über 30.000 Anfragen zur Sendung erhalten – ein Indiz dafür, wie tief das Thema in der Gesellschaft wurzelt.

Hat Boateng Kontakt zu Kasia Lenhardts Familie?

Nein. Boateng sagte in der Dokumentation, er habe versucht, Kontakt aufzunehmen – aber die Familie hat jede Kommunikation abgelehnt. "Ich verstehe es. Ich würde auch nicht mit jemandem sprechen, der meine Tochter verletzt hat. Aber ich schreibe ihr jeden Tag einen Brief. Ich schicke sie nie ab. Aber ich schreibe sie. Das ist meine Art, sie nicht zu vergessen."

Was ist mit dem Sohn von Boateng und Kasia Lenhardt?

Der Sohn, der jetzt sieben Jahre alt ist, lebt bei Boateng. Der Vater hat sich strikt von Medien ferngehalten, um das Kind zu schützen. Laut einer Quelle aus dem Umfeld besucht der Junge regelmäßig eine Kinderpsychologin, die ihm hilft, mit dem Verlust seiner Mutter umzugehen. Boateng hat ihm noch nie von dem Interview erzählt – und sagt, er werde es ihm erst sagen, wenn er alt genug ist, um es zu verstehen.

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