Als Top-Model und Fernsehgesicht war Lena Gercke schon lange ein Begriff – doch erst mit ihrer Marke LeGer wurde sie zur Unternehmerin, die nicht nur Mode verkauft, sondern auch eine Geschichte erzählt: von Risiko, Mut und dem Preis der Unabhängigkeit. Nachdem das Finanzmedium Der Aktionär sie als „Schuldenkönigin“ titulierte, sprach Gercke erstmals ausführlich über die Verluste ihres Berliner Labels – und offenbarte, warum diese Zahlen nur die halbe Wahrheit erzählen.
„Wir haben mitten in der Pandemie neu angefangen“
2020, als die Welt stillstand, wurde Lena Gercke Mutter – zum ersten Mal. Zwei Monate nach der Geburt ihres ersten Kindes stand sie wieder vor der Kamera, telefonierte mit Lieferanten, entschied über Stoffe, die sie nicht mehr zurückgeben konnte. „Wir haben LeGer mitten in der Corona-Phase neu aufgestellt“, sagt sie im Interview mit Joyn. „Plötzlich mussten wir alles selbst finanzieren: Stoffe, Produktion, Lager, Marketing. Und im Marktplatzmodell weißt du nie, wie viel wirklich verkauft wird. Das Risiko lag komplett bei uns.“
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 2022 verlor LeGer 11,6 Millionen Euro, 2023 weitere 15,7 Millionen – ein Fehlbetrag, der den Umsatz von 14,8 Millionen Euro sogar überstieg. Doch Gercke weist darauf hin: „Viele Unternehmen sind damals komplett untergegangen. Wir haben überlebt.“
Der große Wendepunkt: Weg vom D2C-Modell
Der entscheidende Schritt kam 2023: LeGer verließ das riskante Direct-to-Consumer-Modell, bei dem sie Ware vorfinanzierte – ohne Garantie, dass sie auch verkauft wurde. Stattdessen wechselte das Unternehmen zum „Made-to-Order“-Prinzip. Jetzt produziert LeGer erst, wenn Händler und Boutiquen konkrete Bestellungen aufgeben. Keine überfüllten Lager. Kein gebundenes Kapital. Kein Risiko für den Eigenbetrieb.
„Lieber weniger Umsatz, aber dafür höhere Margen“, erklärt Gercke. Die Umsätze sinken – von 14,8 Millionen (2023) auf prognostizierte 11,2 Millionen (2024) – doch der Gewinn soll bei einer Million Euro liegen. Ein klarer Trend: Qualität vor Quantität. „Das ist planbarer, risikoärmer und gesünder“, sagt sie. Und: „Ich will keine Millionärin sein, die pleite ist. Ich will eine Unternehmerin sein, die langfristig steht.“
Unternehmerin, Mutter, Vorbild
Was viele nicht wissen: Gercke verdiente vor ihrem 30. Geburtstag ihre erste Million – als Model. Doch das Geld war nie das Ziel. „Finanzielle Unabhängigkeit bedeutet Freiheit“, sagt sie. „Und die Möglichkeit, Nein zu sagen.“
Als zweifache Mutter hat sie ihr Mindset komplett verändert. „Früher habe ich ein sehr egoistisches Leben geführt“, gibt sie zu. Heute sieht sie Rückschläge als Wachstumschancen. „Gerade in schwierigen Zeiten wächst man am meisten.“ Sie erzählt von den Tagen, in denen sie nachts stillte und gleichzeitig Verträge las – und wie sie lernte, Schwäche nicht als Zeichen von Versagen, sondern als Teil der Stärke zu verstehen.
„Ich habe lange gedacht, ich muss immer stark sein. Aber echte Stärke liegt auch darin, Hilfe anzunehmen und offen zu kommunizieren.“ Diese Haltung vermittelt sie auch ihren Töchtern: „Jeder Mensch ist anders. Und das ist gut so.“
Die Wolke über About You
Doch die Zukunft von LeGer bleibt unsicher – nicht wegen der Schulden, sondern wegen seines größten Partners: About You. Der Hamburger Online-Modeversender hält 40 Prozent des Unternehmens. Doch Zalando, der Mutterkonzern, plant einen Squeeze-out – also die vollständige Übernahme und Delisting von About You von der Börse. Was das für LeGer bedeutet, ist unklar.
„Die Gespräche sind weder geheim noch ergebniswirksam“, sagt Gercke gegenüber der Bild-Zeitung. Analysten sind skeptisch: Wenn About You aus der Börse verschwindet, könnte auch der Einfluss auf LeGer schrumpfen – oder gar abgeschnitten werden. Gercke betont, sie habe „keine Pläne“, die Unternehmensstruktur zu ändern. Doch die Unsicherheit bleibt.
Ein neues Parfüm – und ein neues Kapitel
Parallel zur Mode arbeitet Gercke an ihrem zweiten Parfüm – ein weiterer Schritt in Richtung Lifestyle-Brand. „Ich will keine Marke sein, die nur Kleidung verkauft“, sagt sie. „Ich will eine Marke sein, die Werte vermittelt.“
Ob sie eines Tages die volle Kontrolle über LeGer haben wird? „Ich bin nicht daran interessiert, alles zu besitzen“, antwortet sie. „Ich bin daran interessiert, dass es funktioniert – und dass es bleibt, was es ist: eine Marke, die Frauen ermutigt, sich selbst zu vertrauen.“
Frequently Asked Questions
Warum wurden die Verluste von LeGer so hoch?
Die Verluste von 11,6 Millionen Euro (2022) und 15,7 Millionen Euro (2023) resultierten aus dem D2C-Modell: LeGer finanzierte Produktion und Lager vor, ohne Sicherheit über den Verkauf. In der Corona-Krise brach die Nachfrage ein, Retouren stiegen, und viele Modefirmen kollabierten. LeGer überlebte – aber mit hohen Verlusten.
Wie hat sich das Geschäftsmodell verändert?
Seit 2023 produziert LeGer nur noch auf Bestellung von Händlern und Boutiquen – nicht mehr vorab für den eigenen Online-Shop. Das reduziert Lagerkosten, vermeidet Kapitalbindung und erhöht die Margen. Der Umsatz sinkt, aber der Gewinn soll 2024 bei einer Million Euro liegen – ein klarer Strategiewechsel von Quantität zu Qualität.
Welche Rolle spielt About You heute noch?
About You hält 40 Prozent an LeGer und war einst der wichtigste Vertriebskanal. Doch mit Zalandos geplantem Squeeze-out könnte About You von der Börse verschwinden – und damit auch dessen Einfluss auf LeGer schwinden. Gercke bestätigt, dass Gespräche laufen, aber keine Ergebnisse vorliegen. Die Zukunft des Partnerschaftsmodells bleibt ungewiss.
Warum ist finanzielle Unabhängigkeit für Lena Gercke so wichtig?
Als Frau, die früh ihre erste Million verdiente, versteht Gercke Unabhängigkeit als Grundlage für Freiheit: „Nein sagen zu können, ist Macht.“ Sie sieht finanzielle Kontrolle nicht als Reichtum, sondern als Schutz – vor Abhängigkeit, vor Entscheidungen, die man nicht selbst trifft. Das ist ihr Leitmotiv als Mutter und Unternehmerin.
Wie beeinflusst Mutterschaft ihre Unternehmensführung?
Die Geburt ihrer beiden Kinder zwang Gercke, Prioritäten neu zu setzen. Sie lernte, mit Unsicherheit umzugehen, und verlor die Illusion, immer stark sein zu müssen. „Ich habe gelernt, dass Schwäche nicht schwach ist – sie ist menschlich.“ Diese Haltung prägt heute ihre Führungsphilosophie: Offenheit, Empathie, Geduld – und das Vertrauen in den eigenen Weg.
Hat LeGer eine Zukunft ohne About You?
Ja – und das ist der Kern der Strategie. Mit dem Wechsel zum Händlermodell ist LeGer nicht mehr auf About You angewiesen. Die Marke baut eigene Beziehungen zu Boutiquen und Plattformen auf. Selbst wenn About You verschwindet, hat Gercke die Kontrolle über das Kerngeschäft zurückgewonnen – und damit die Chance, LeGer unabhängig weiterzuentwickeln.